Die Saison ist durch, alle Ergebnisse wurden eingefahren und in der Off-Season oder Übergangsphase kommen wieder die verrücktesten Ideen und Ziele für die neue Radsaison. Damit alles nach Plan verläuft und auch die Form zum Saisonhöhepunkt stimmt, solltet ihr immer im richtigen Leistungsbereich trainieren und der sollte individuell ermittelt sein.
Heute sprechen wir deswegen über das wichtige und viel diskutierte Thema Leistungsdiagnostik und -analyse – und zwar über das richtige Timing. Denn oft erreicht mich die Frage: Zu welchen Zeitpunkten im Jahr sollte eine Leistungsdiagnostik stattfinden? Was hierbei sinnvoll ist und welche Testmodelle sich gut zur Leistungsbewertung anbieten, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Warum brauche ich eine Leistungsdiagnostik?
Grundsätzlich gilt: Um im Training immer in den richtigen Trainingsbereichen und Leistungszonen unterwegs zu sein, solltet ihr eure Leistungswerte regelmäßig überprüfen lassen und die Referenzwerte wie Laktatschwelle, FTP und weitere regelmäßig für euer Trainingsprofil anpassen. Andernfalls läuft ihr Gefahr, falsch zu trainieren und die gewünschten Trainingserfolge bleiben aus.
Zu den Vorteilen einer Leistungsdiagnostik im Detail kommen wir später im Beitrag.
Warum sollte eine Leistungsanalyse auch im Winter erfolgen? Und zu welchen Zeitpunkten noch?
Häufig endet die Saison nicht mit einem Saisonhöhepunkt, sondern läuft langsam nach einer Übergangsphase aus. Das heißt, die maximalen Umfänge im Training und die maximale Intensität liegen schon ein paar Wochen oder vielleicht sogar Monate zurück. Wenn wir nach der Offseason wieder in den neuen Saisonaufbau gehen, dann werden die Werte aus der Zeit des Saisonhöhepunktes nicht mehr vorhanden sein. Die Wattwerte aus dem Sommer können nicht mehr gehalten werden. Die Hausrunde wird wieder 2-3 min langsamer gefahren. All das ist völlig normal, da die Intensität und auch die Umfänge nach dem Saisonhöhepunkt wieder abnehmen. Damit die Belastungsintensität aber auch in diesem wichtigen “Vorsaison-Aufbautraining” stimmt und im richtigen Bereich trainiert wird, sollten auch vor dieser Periode die Leistungsbereiche neu ermittelt und angepasst werden. So wird eine Über- aber auch Unterlastung vermieden.
Grundsätzlich empfehlen wir, eine Leistungsdiagnostik zum Beginn oder Ende eines jeden großen Trainingsblocks (z.B. beim Saisonstart, aber auch bei Wiedereinstieg nach Krankheit) zu machen. Mindestens sollte eine Leistungsdiagnostik aber zweimal im Jahr stattfinden.
Wenn wir neue Athleten/innen im Coaching aufnehmen, dann ist es für uns Coaches wichtig und hilft auch bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit, wenn bereits Messdaten vorhanden sind. Das heißt z.B. eine Leistungsdiagnostik, die in der Vergangenheit stattfand. So können wir uns ein Bild machen, wie das Training und die Entwicklung in der letzten Trainingsphase war. Beispielhaft kann ich hier unseren Athleten Florian nennen. Florian hat über die Saison verteilt verschiedene Ziele u.a. Radmarathons, Jedermannrennen sowie Laufevents als Ergänzung. Hier findet der erste Leistungstest als Laktatanalyse nach der Saisonpause im November statt. Über die Wintermonate gibt es nur vereinzelt Laufevents und der Formerhalt und Formaufbau stehen im Fokus. Spätestens im März wird der Laktattest wiederholt und mit den Ausgangswerten aus dem Test im November verglichen. Hier haben wir dann im Normalfall eine Wattsteigerung von 3-5W alle 4 Wochen über die Zeit des Wintertrainings. Mit den neuen Messwerten aus März kann das Training spezifischer gestaltet werden und die Vorbereitung auf die ersten Events, z.B. die Tour d’Energie oder Eschborn-Frankfurt. Dabei wird der Grundlagen-Anteil reduziert und die Intervalle gezielt eingestreut. Im weiteren Verlauf können dann 5 min VO2max Tests oder 20 min Intervalltests folgen, um den Leistungsfortschritt immer wieder zu messen. Hierfür eignet sich auch der Moxy Scan zur Ermittlung der Leistungssteigerung. Eine umfangreiche Leistungsdiagnostik mit Laktatanalyse ist hier nicht mehr notwendig, da der Vorbereitungszeitraum für solch einen Test einen großen Einfluss auf die Trainingsstruktur hat. An den Tagen vorher sollte z.B. nur moderat bis gar nicht trainiert werden und der Körper sollte auch maximal ausgeruht sein. Eine Möglichkeit, um spezifische Werte zu ermitteln, z.B. für die Pace am Berg, wäre eine Testung als Feldtest, z.B. im Trainingslager an einem Anstieg mit Bergpace. Wenn hier der Wert der Messung zu groß ist, beispielsweise über 4 mmol/l, dann sollte mit einer niedrigeren Wattzahl am Anstieg trainiert werden, da der Athlet den Wattwert über längere Zeit nicht halten kann. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Laktatdiagnostik ein bis zweimal im Jahr ausreichend ist. Wir müssen dem Körper auch ausreichend Zeit zur Anpassung geben.
Welche Messmethoden und Berechnungsmodelle gibt es?
Natürlich gibt es nutzbare Vorgaben und Berechnungsmodelle wie z.B. die Leistungszonen L1-L7 nach Coggan (ausgehend vom FTP berechnet), aber der menschliche Körper ist sehr komplex und individuell und lässt sich nicht immer in diese Leistungs- und Berechnungsmodell drücken.
Als Standard in der Leistungsdiagnostik hat sich der Laktattest etabliert. Hierbei wird in unterschiedlichen Belastungsstufen der Laktatwert im Blut ermittelt und so können je Belastungsstufen in Watt und dem entsprechenden Laktatwert die Trainingsbereiche in Watt und Puls ermittelt werden. Hier gibt es heutzutage mehrere Dutzend Schwellenmodelle, welche zum Einsatz kommen. Das Modell von Mader z.B. bezieht sich auf fixe Schwellenwerte bei 2 und 4 mmol/l. Dies ist aus meiner Sicht völlig unzureichend in der Bewertung, da die Schwelle bei jedem Athleten/in unterschiedlich ist und eine pauschale Betrachtung hier nicht sinnvoll ist. Ich arbeite sehr gern mit dem Freiburger Modell, bei dem die Laktatkurve mit einer 45° Tangente ergänzt wird und so die Schwellen ermittelt werden. Die Ergebnisse liegen dann bei z.B. 3,5 oder 4,1 mmol/l und sind detaillierter als das Mader-Modell.
Neben dem Laktattest setzen wir regelmäßig den Moxy Scan zur Ermittlung der relativen Sauerstoffsättigung in der Muskulatur (SmO2) in Echtzeit ein. Hier kann auch während des Trainings Alltags z.B. bei einer Intervallpyramide der Sauerstoffgehalt im Blut gemessen werden. So wird analysiert, wie sich der Sauerstoffgehalt bei den unterschiedlichen Belastung verhält und anpasst. Der Moxy Scan ist schnell einsatzbereit, kann sowohl im Training als auch im Rennen eingesetzt werden und liefert wichtige Informationen zur Belastung der Muskulatur. Mit Hilfe der Messergebnisse können so die Leistungszonen individuell und auf den/die Sportler/in zugeschnitten ermittelt werden.
Die Bestimmung der Leistungsbereiche wird von uns Coaches fortlaufend vorgenommen. Wir nutzen dabei die Messergebnisse der Leistungsdiagnostik, z.B. Laktatwerte und als Abgleich dazu auch die Werte aus der Spiroergometrie (9-Felder-Wassermann Grafik). Auch der Vergleich der Herzfrequenz unterschiedlicher Einheiten hilft bei der Beurteilung der Leistungsveränderung. Vereinzelt setzen wir auch 5min- oder 20min-Tests ein, um Vermutungen zu bestätigen oder bestimmte Leistungsveränderungen zu hinterfragen. Es kann auch immer wieder vorkommen, dass die Athleten/innen proaktiv auf uns mit dem Gefühl zukommen, dass bestimmte Intervalle oder Belastungen besonders leicht oder besonders schwer zu absolvieren sind. Hier ist es auch wichtig, sachlich mit den Leistungswerten umzugehen und auch ggf. eine Reduzierung der Wattwerte zur optimalen Trainingsreizung zu empfehlen.
Die Leistungsdiagnostik wird von uns auch im Trainingslager eingesetzt, um die richtigen Trainingszonen für das Camp zu bestimmen und zu ermitteln. Hier geht es zu unseren aktuellen Bike Camp Angeboten.
Was sind die Vorteile einer Leistungsdiagnostik im Detail?
- Leistungssteigerung durch das richtige Training im passenden Leistungsbereich
- Schutz vor Überlastung durch Ermittlung der Leistungszonen für intensives und extensives Training. Das intensive Training beinhaltet hohe Belastungen und eine starke Beanspruchung des Herz-Kreislauf-Systems bei kürzeren Umfängen und das extensive Training den passenden Gegenpart mit ruhigen und lang andauernden Grundlagen Einheiten mit wenig Intensität und mehr Umfang.
- Messbare Leistungsentwicklung und nachhaltige Verbesserung der Leistung (neue Laufräder tragen auch zur Verbesserung bei, stehen aber in keinem Verhältnis zur Nachhaltigkeit durch das richtige Training im richtigen Trainingsbereich 😉 )
- Die Daten aus dem Leistungsmesser können besser interpretiert werden, wenn die genauen Leistungsbereiche bekannt sind
- Vergleichbarkeit der Daten mit anderen Athleten/innen z.B. die Bewertung W/kg kann so präzise dargestellt werden (Wie hoch muss mein Wert für Platz X bei Rennen X sein?)
- Ermittlung der Stellschrauben für Stoffwechsel- und Ausdauerfähigkeit: Über die Leistungsanalyse kann ein metabolisches Profil zur Ermittlung des Substratverbrauchs erstellt werden. So weiß ich genau, welche Kohlenhydratmenge mein Körper pro Stunde bei welcher Belastungsstufe (Watt) benötigt.
- Durch den Vergleich mit einer vorherigen Leistungsanalyse kann ich bestimmen, ob der Bereich der Laktatkurve optimal nach rechts verschoben wurde (aerober Bereich oder anaerober Bereich)
- Bestimmung der Erholungsfähigkeit (gibt Aufschluss darüber, wie schnell der Körper sich nach Belastungen regeneriert)
- Ermittlung des Fahrerprofils: Bin ich Sprinter oder Marathonfahrer? (Über den sogenannten VLamax-Test kann die maximale Laktatbildungsrate ermittelt werden. Hier sprechen niedrige Werte für den Ausdauertyp und höhere Werte für den Sprinter (Kraftausdauer)
Die Leistungsanalyse und Ermittlung der Leistungszonen und Trainingsbereiche schafft für den Athleten/in ein sinnvolles und für jeden individuell passendes Profil zur Trainingssteuerung. So können gezielt die Trainingsschwerpunkte unterschiedlich gesetzt werden. Durch die Leistungsanalyse ist auch der aktuelle Leistungsstand bekannt. Hat mein Training die letzten Wochen und Monate gut gepasst, in welchen Leistungsbereichen muss ich mehr oder anders trainieren, um mich weiter zu verbessern?
Zum Schluss: Welche Ergebnisse sollten bei einer guten Leistungsdiagnostik nicht fehlen?
Folgende Werte solltest du nach einer Leistungsdiagnostik ausgehändigt bekommen:
- Trainingszonen in Watt von L1-L7
- Trainingszonen in Puls (als Sekundär Referenz für das Training)
- max. Herzfrequenz
- max. Wattleistung
- Berechnung FTP
- Individuelle Aerobe Schwelle (IAS)
- Individuelle Anaerobe Schwelle (IANS)
- Laktatwerte in jeder Stufe (mmol/l)
Optional:
- Metabolisches Profil (kh/g/h)
- VO2max absolut und relativ (ml/min und ml/kg/min)
- maximale Fettverbrennung (absolut) in Watt
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